Hanoi, 15.06.2012 – Die politische Führung Vietnams setzt in ihren Wachstumsstrategien vermehrt auf Nachhaltigkeit. Damit erhalten Umwelt- und Klimaschutz einen prominenten Platz in der sozioökonomischen Entwicklungsstrategie. Der Sinneswandel ist nötig, denn die Folgen des Klimawandels sind schon jetzt deutlich spürbar.
Vietnam ist eines der Länder, das weltweit am stärksten von den Folgen des Klimawandels betroffen ist. Fachleute warnen vor einem Temperaturanstieg zwischen 2.0°C und 3.0°C, einer Zunahme der jährlichen Niederschlagsrate sowie vor einem Anstieg des Meeresspiegels zwischen ca. 65 und 100 cm bis Ende des 21. Jahrhunderts.
Fachleute rechnen mit einer höheren Anzahl an Hochwasser- und Dürrekatastrophen sowie mit zunehmenden Küstenerosionen in den städtischen Küstengebieten und dem Mekong-Delta. Das Delta ist das größte zusammenhängende Reisanbaugebiet der Welt. Neben Thailand und Indien gehört Vietnam zu den weltgrößten Reisexporteuren – über 50 Prozent der Bevölkerung ist in Vietnam in der Landwirtschaft tätig.
Die sozioökonomische Entwicklungsstrategie 2011-2020 spiegelt die erwarteten Folgen des Klimawandels auf Vietnams wirtschaftliche Entwicklung wider. Sie definiert weitreichende Adaptionsmaßnahmen für die Folgen des Klimawandels und sieht den Klimaschutz als Bestandteil der nachhaltigen Entwicklung Vietnams.
In der vietnamesischen Regierung wächst das Bewusstsein heran, dass langfristiger Wohlstands nur gewährleistet werden kann, wenn den umweltpolitischen Folgen des wirtschaftlichen Transformationsprozesses sowie den Folgen des Klimawandels Rechnung getragen wird. Damit stellt sich allerdings die Frage, wie man die ambitionierten Wachstumsziele mit Umwelt- und Klimaschutz verbinden kann, ohne das Ziel „Industrienation bis 2020“ aufgeben zu müssen. Vor diesem Hintergrund hat Vietnams politische Führung eine Reihe institutioneller und struktureller Maßnahmen in die Wege geleitet.
Die Klimastrategie und ihre Herausforderungen
Das nationale Zielprogramm zum Klimawandel (National Target Program to Respond to Climate Change, NTP – RCC) dient als richtungweisendes Dokument für die Verteilung der Kompetenzen im Bereich Klima. Das NTP – RCC wurde am 2. Dezember 2008 verabschiedet und legt die institutionellen Rahmenbedingungen, auf denen die Klimastrategie letztendlich aufbaut, fest. Nach offiziellen Angaben soll bis Ende 2015 ein erweitertes NTP – RCC für den Zeitraum 2016 bis 2025 konzipiert werden.
Das Ministerium für natürliche Ressourcen und Umwelt (MONRE) koordiniert die Implementierung der nationalen Klimastrategie, die Umsetzung der Klimarahmenkonvention der Vereinten Nationen (UNFCCC) und des Kyoto–Protokolls. Dem MONRE unterstehen einige staatliche Think Tanks, deren Forschungs- und Studienergebnisse das MONRE unterstützen. Dazu gehören das Institut für Meteorologie, Hydrologie und Umwelt (IMHEN) sowie das Dezernat für Meteorologie, Hydrologie und Klimawandel (DMHCC).
Auf Beschluss des Premierministers wurde am 09. November 2011 das nationale Komitee für Klimawandel (National Committee for Climate Change) gegründet. Damit unterstrich der Premierminister die hohe Priorität, die dem Klimaschutz und der Anpassung an die Folgen des Klimawandels zugemessen wird.
Zu den Hauptaufgaben des Komitees gehört die Konzipierung der Klimastrategie. Vorsitzender des Komitees ist der Premierminister selbst, Nguyen Tan Dung. Das Komitee verfügt über Weisungsbefugnis gegenüber allen relevanten Ministerien und den Volkskomitees der 63 Provinzen. Am 05. Dezember 2011 wurde auf Beschluss des Premierministers eine aktualisierte Klimastrategie (National Climate Change Strategy ) bis 2050 verabschiedet.
Kernaussage der Klimastrategie ist die Verknüpfung einer effektiven Klimapolitik mit der Entwicklung Vietnams zu einer CO2-neutralen Wirtschaft. Dies gilt als Voraussetzung für die Verbesserung der Lebensqualität und für die nachhaltige Entwicklung des Landes. Lösungsansätze zur Bewältigung des Klimawandels sollen sektorübergreifend, multidisziplinär, interregional und im Einklang mit internationalen Vorschriften erfolgen. Neben institutionellen Weiterbildungsmaßnahmen ist eine stärkere Einbindung der staatlichen Massenorganisationen, der Gewerkschaften und der Wirtschaft bei der Durchsetzung der Klimapolitik vorhergesehen.
Durch Förderung gemeindebasierter Projekte zur Anpassung an die Auswirkungen des Klimawandels (siehe ‘community-based approach’) soll die bis dato geringe gesellschaftliche Wahrnehmung der Folgen des Klimawandels insbesondere auf kommunaler Ebene geschärft werden. Dabei wird den Medien und den Universitäten eine gewichtigere Rolle bei der Verbreitung der Erkenntnisse über den Klimawandel zugeschrieben.
In der Klimastrategie wird zudem das Green-Growth-Konzept vorgestellt. Durch Strukturreformen im Wirtschaftssektor und im Transportwesen, durch Verringerung der Treibhausgasemissionen sowie durch Nutzung energiesparender, ressourcen-schonender Prozesse und Techniken sollen umweltfreundliches Wachstum gefördert werden.
Im Hinblick auf die nationale Klimapolitik misst die vietnamesische Regierung nicht nur der Wirtschaftspolitik eine große Bedeutung zu, sondern stellt auch zunehmend ihre Energiepolitik im Vordergrund. Nach dem Gesetz über Energieeinsparung und Energieeffizienz sowie der Entwicklungsstrategie für Energien 2011-2020 sollen erneuerbare Energien eine stärkere Rolle bei der Deckung des Gesamtenergiebedarfs spielen.
Die Förderung der regenerativen Energien ist ein zentraler Bestandsteil des nationalen Maßnahmenpakets zur Reduzierung der Treibhausgasemissionen. Trotz der integrativen Klimapolitik der vietnamesischen Regierung wurde bislang nur eine geringe Anzahl an ausländischen Investitionen im Bereich der regenerativen Energien in Vietnam verzeichnet. Gründe dafür sind nicht zuletzt die anhaltenden Subventionierungen der konventionellen Energien und der unzureichend regulierte Rechtsrahmen. Quelle: kas.de
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