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Donnerstag, 16. Februar 2012

Steuern: In Dubai, in Singapur oder in der Karibik gibt es auch ganz tolle Restaurants.“

„Es waren einmal zehn Männer, die gingen jeden Tag miteinander zum Essen. Und die
Rechnung für alle zusammen betrug jeden Tag genau 100 Euro.
Die Gäste teilten die Rechnung nicht einfach durch zehn sondern so ungleich, wie wir
unsere Steuern zahlen. Vier der zehn Gäste, die Ärmsten, zahlten gar nichts. Der Fünfte
zahlte 1 Euro, der Sechste 3, der Siebte 7, der Achte 12 und der Neunte 18 Euro. Der
Zehnte, der Reichste, zahlte 59 Euro.
Das ging eine ganze Zeit lang gut. Jeden Tag kamen sie zum Essen, alle waren zufrieden.
Doch eines Tages brachte der Wirt dieses Arrangement fürchterlich durcheinander, dabei
hatte er es nur gut gemeint: Er schlug vor, den Preis für das Essen von 100 auf 80
Euro zu reduzieren. „Weil Sie alle so gute Gäste sind!“, sagte er. Wie nett von ihm!
Das Problem war nur: Die Gruppe wollte unbedingt weiterhin nach dem progressiven
System bezahlen, nach welchem wir besteuert werden. Dabei war klar, dass sich für die
ersten vier Gäste nichts ändern sollte: Sie bekamen weiter freie Kost. Aber wie sollten
die übrigen sechs die 20 Euro Entlastung gerecht aufteilen? Sollte einfach jeder ein
Sechstel davon bekommen, also 3,33 Euro weniger zahlen?
Das hätte wohl Streit gegeben: Die Gäste Nummer fünf und sechs bezahlten ja bisher
nur 1 bzw. 3 Euro - sie hätten dann für das essen Geld bekommen, statt dafür zu
bezahlen. Also machte der Wirt noch einen zweiten, ebenfalls gut gemeinten Vorschlag.
Und damit nahm das Unglück seinen Lauf. Er schlug nämlich vor:
Die 6 zahlenden Gäste sollten nicht absolut, sondern prozentual gleich stark entlastet
werden. Oder wenigstens ungefähr, sofern das bei runden Eurobeträgen möglich wäre.
Der Wirt kramte einen Bleistift aus seiner Schürze hervor, nahm einen Bierdeckel und
kritzelte eine Weile darauf herum. Heraus kam die folgende neue Lastenverteilung:
Der Gast Nummer fünf, der bisher nur 1 Euro zahlte, aß wie die ersten vier Gäste
umsonst (100% Entlastung). Der Sechste zahlte statt 3 nur 2 Euro (33% Entlastung),
der Siebte statt 7 nur 5 Euro (28% Entlastung), der Achte statt 12 nur 9 Euro (25%
Entlastung) und der Neunte statt 18 nur 14 Euro (22% Entlastung). Für den Zehnten,
den Reichsten, ergab der Bierdeckel noch 16 Prozent Entlastung: Er musste statt 59 nun
49 Euro zahlen. Zufrieden verabschiedeten sich die Gäste vom Wirt. Es schien eine prima
Lösung: Statt vier essen fünf Gäste kostenlos, und die anderen werden spürbar entlastet.
Aber als sie vor der Wirtschaft noch einmal nachrechneten, erwies sich auch diese
Regelung plötzlich als konfliktträchtig. „Ich habe von den 20 Euro nur einen einzigen
abgekriegt“, sagte der fünfte Gast und zeigte auf den zehnten Gast, den Reichen. „Aber
der da kriegt 10 Euro!“ Da rief der Sechste: „Stimmt – auch ich habe nur 1 Euro
bekommen, und der da zehnmal so viel.“ Auch der Siebte wurde jetzt sauer: „Wie wahr -
warum bekommt der da 10 Euro zurück und ich nur 2? Der ist doch sowieso schon
reicher als ich.“ Wie aus einem Munde riefen die Gäste Nummer eins bis vier, die schon
immer kostenlos aßen: „Wir haben überhaupt nichts bekommen. Das System beutet die
Armen aus!!!“
Und am Ende gingen die neun gemeinsam auf den Zehnten los und verprügelten ihn.
Am nächsten Tag tauchte der zehnte Gast nicht zum Essen auf und die übrigen aßen
ohne ihn. Aber als es an der Zeit war, die Rechnung zu begleichen, stellten sie etwas
Außerordentliches fest: Sie hatten alle zusammen nicht genug Geld, um auch nur die
Hälfte der Rechnung zu zahlen!
Und wenn sie nicht verhungert sind dann wundern sie sich noch heute.
Und so funktioniert auch unser Steuersystem: Wer die höchsten Steuern zahlt, hat den
größten Vorteil bei einer Steuersenkung. Sonst kann es passieren, dass er irgendwann
nicht mehr am Tisch erscheint. In Dubai, in Singapur oder in der Karibik gibt es auch
ganz tolle Restaurants.“

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